Riobamba – Gastfamilie und ein bisschen leben wie damals || Ecuador

Wiedersehen

 

Ich habe nur meinem Gastbruder Kevin gesagt, wann genau ich komme. Die restliche Gastfamilie wusste nur, dass ich komme.

Ich habe mich mit Kevin am Busbahnhof verabredet. Dort trennen sich dann auch Connys und mein Weg auf dieser Reise erst einmal.

Es ist schon irgendwie komisch Kevin nach so langer Zeit wiederzusehen, aber auch aufregend. Wir fahren mit einem Taxi zur Wohnung der Großmutter. Sie wohnt mittlerweile in der Wohnung, in der ich damals mit der Gastfamilie gewohnt habe. Meine Gastfamilie wohnt jetzt in einem Haus im Norden der Stadt.

Ich gehe die Stufen hoch, die ich immer nach der Schule hochgelaufen bin, betrete das Wohnzimmer, in dem ich mich damals nie oft aufgehalten habe und gehe dann in die Küche. Hier habe ich damals so oft mit meiner Gastmutter gekocht. Hier haben wir immer alle zusammen gegessen. Als ich diesen Raum damals das letzte Mal sah, kamen mir das erste Mal Tränen und mir wurde klar, dass eines der bedeutensten Kapitel meines Lebens vorbei war. Und jetzt, drei Jahre später, gehe ich in diesen Raum, meine Gastoma steht am Herd, frittiert Empanadas und kocht Kakao in einem Topf.

Ich glaube, die Familie wusste, dass ich komme, aber sie freuen sich, mich wiederzusehen und ich mich auch.

 

Alltag

 

Es ist ein bisschen damals. Wir putzen zusammen das Haus, ich koche mit meinen Gastbrüdern, wir essen zusammen Mittag, ich führe lange Gespräche mit meinen Gastbrüdern Kevin und Haziel und mit meiner Gastmutter. In der kurzen Zeit, in der ich da bin, backen wir dreimal Brot im Steinofen der Familie. Und ich habe, obwohl ich es seit damals nicht mehr gemacht habe, die Technik nicht verlernt. Meine Empanadas (als Brotform) sind schöner als die meiner Gastbrüder! 😀

An einem Samstag fahre ich mit meinen Gasteltern früh morgens auf einen riesigen Markt. Es ist eine riesige Markthalle. Ich habe noch nichts gefrühstückt und werde sofort mit von der Stange hängenden toten Hühnern oder Hühnern im Käfig konfrontiert. Der Gestank ist sogar meinen Gasteltern zu unangenehm und so gehen wir schnell weiter zum Obst und Gemüse. Es gibt große Stände mit vielen verschiedenen Gemüse- und Obstsorten und Frauen, die mit einer Sorte und ihren Schürzen mit eingenähter Tasche am Bauch am Rand sitzen. Es ist viel los und es wird viel gekauft. Auch die Ladefläche des Pick-ups meines Gastvaters ist nach dem Einkauf voll.

Spiel- und Sportpark

Haziel trifft sich abends oft mit seinen Freunden. Zweimal nimmt er mich mit. Beim ersten Mal ist Kevin auch dabei. Sie kaufen in der Stadt Rotwein im Tetrapack, Cola und Zigaretten, sammeln ein paar Freunde ein und zusammen fahren wir in eine verlassene Straße neben einem kleinen Spiel- und Sportpark. Es ist dunkel und relativ kalt. Wir unterhalten uns viel, die Jungs trinken und rauchen. Dabei ist immer einer dran mit Alkohol Ausschenken. Er mischt zunächst Rotwein und Cola in einem 0,5-Liter-Plastikbecher, füllt dann etwas in einen kleinen Plastikbecher und reicht den Becher einem der anderen Jungs. Der Becher wird leer getrunken, aufgefüllt und dem nächstem gereicht. Wenn der große Becher leer ist, muss ein anderer mischen und ausschenken. Immer wenn eine Polizeisirene zu hören ist, zucken die anderen zusammen. Es ist nicht erlaubt, abends auf der Straße zu trinken.

Beim zweiten Mal treffen wir uns mit Freund*innen und Kommiliton*innen von Haziel in einer Bar. Ich lerne Canela kennen, ein heißes, süßes, alkoholisches Getränk mit Zimt. Dann gehen wir zu einem seiner Freunde nach Hause. Die Jungs sind alle betrunken und tanzen und singen lauthals zur Musik.

Die anderen Abende hat Kevin mir viele Filme gezeigt, die er durch sein Studium kennengelernt hat. Allerdings bin ich oft eingeschlafen. Manchmal habe ich nicht verstanden, worum es ging oder ich war zu müde oder ich fand die Themen einfach nicht spannend.

 

Freunde

 

Ich habe eigentlich nur noch zu einer Freundin von damals Kontakt: Nadja. Mit ihr war ich damals in einer Klasse. Wir treffen uns und es ist schön sie wiederzusehen. Ihr Freund ist auch dabei. Wir gehen erst in einen Laden, in dem man spielen kann und spielen ein paar Runden Guitar Hero. Anschließend fahren wir spontan nach Guano. In dem Ort war ich damals auch oft. Wir hören Lieblingsmensch von Namika, weil sie das Lied so gerne mag. Und sie kann sogar mitsingen! Wir essen Cholas – mit Panela-Zucker gefüllte Brötchen -, machen Fotos auf Spielgeräten und gehen einen Weg mit Steinfiguren. Es war ein sehr schöner Tag und ich bin froh, dass nicht alle Kontakte verloren gegangen sind.

Damals habe ich mit Conny ein Graffiti an eine Mauer gesprayt. Wie es dazu kam, darüber habe ich hier geschrieben. Wir wollen wissen, ob es noch vorhanden ist und so treffen wir uns in Riobamba nochmal, um es uns anzuschauen. Und was soll ich sagen. Unser Riobamba-Tag ist noch vorhanden und wurde nicht übersprüht. Das Herz, das ich damals gesprayt habe schon. Aber das ist okay. Viel mehr bin ich erstaunt, dass unser Schriftzug noch da ist. Und er sieht immer noch gut aus, ist nur ein bisschen verblasst. Wie er damals aussah, als er noch frisch war, könnt hier hier sehen.

 

Abschied

 

Der Abschied war wieder nicht so leicht. Was es besonders schwer macht: Man weiß nicht, wann man sich wiedersieht. Aber ein bisschen war auch Vorfreude auf zuhause da. So fuhr ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

Ich hatte aber wieder eine sehr schöne Zeit mit meiner Gastfamilie. Es war anfangs schon ein bisschen komisch und auch anders, aber mit der Zeit – und ich war „nur“ 10 Tage in Riobamba – spielt sich alles wieder ein und es ist ein bisschen wie früher.

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